Bei der Vereidigung von Joe Biden haben wir wieder Blau gesehen, in Gestalt der Mäntel von Jill Biden und Kamala Harris. Blau scheint sich als Outfit-Farbe für First Ladies und jetzt auch Vizepräsidentinnen (!) bei Amtseinführungen zu etablieren. Zuvor hatten schon Brigitte Macron und ja, auch Melania Trump Blau getragen. Warum ausgerechnet Blau? Na ja, wenn ich an mögliche Farb-Alternativen denke, fällt mir zu jeder ein Gegenargument ein: Rot ist zu aggressiv, „Hoppla, hier komm ich!“ ist keine passende Aussage für eine Präsidentengattin. Rosa ist zu niedlich, so konservativ ist nicht mal das Rollenverständnis bei der Tea-Party. Grün weckt vielleicht zu viel Hoffnung, Grau ist zu trist und Schwarz verbietet sich von selbst. Und dass Gelb und Beige fast keiner Frau stehen, haben die Politikerfrauen und Ihre Berater auch schon bemerkt.
Da bleibt ja wirklich nur Blau! Aber Blau ist weit mehr als das kleinste Übel für einen hochoffiziellen politischen Anlass. „Blau hat den Charakter einer Lichtfarbe, die uns Räume öffnet und aufgrund ihrer Immaterialität keine Gefahr darstellt. Es gibt daher keine andere Farbe, der wir intuitiv mehr vertrauen. (…) Das zeigt sich auch am Symbolgebrauch, wo Blau häufig für Sicherheit, Richtigkeit und Wahrheit steht“, schreibt der Farbexperte Prof. Axel Buether in seinem frisch erschienenen Buch „Die geheimnisvolle Macht der Farben“. Kein Wunder, dass Blau seit jeher von Unternehmen und Institutionen als Corporate Colour genutzt wird, die besonders auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen sind: Banken, Versicherungen, Nachrichtendienste … und Facebook.
Die Farbe der Erlösung
Aber Blau kann noch mehr: „Aus unserer irdischen Perspektive wirken die lichten Blautöne von Himmel und Meer wie Symbole der Ewigkeit. (…) Seit Anbeginn der Kulturgeschichte nährt Blau die Hoffnungen des Menschen auf Wiedergeburt, Erlösung und ewiges Leben.“, schreibt Axel Buether weiter. Wahrheit, Zuverlässigkeit, Seriosität – und dann auch noch Erlösung – ist das nicht die perfekte Bedeutungs-Kombi für ein Politiker-Image? Wenn Sie also auf dem Sprung in die Politik sind – oder Ihr Göttergatte dahin strebt – sollten Sie neben Spenden und Stimmvolk auch unbedingt blaue Kleidungsstücke sammeln! Dabei können Sie auch farbtypmäßig kaum etwas falsch machen, denn Blau ist auch insofern eine sichere Farbe, als sie sehr vielen Menschen gut oder einigermaßen gut steht.
Aber nun zurück zu den Damen Biden und Harris: Sie haben ihre „Shades of Blue“ entsprechend ihrem persönlichen Typ und der Rolle, die sie gerade antreten, wunderbar umgesetzt!
Kamala Harris: Als dunkelhaarige und dunkelhäutige Frau braucht sie unbedingt dunkle Farben, damit ihre Gesichtszüge zur Geltung kommen (in einem weißen Kleid würde ihr Gesicht in den Hintergrund treten). Deshalb hat sie mit dem dunklen, leicht ins Violett gehenden Blau die richtige Wahl getroffen. Der schlichte klassische Schnitt ihres Mantels passt zum Ernst ihres Amtes.
Jill Biden: Die frischgebackene First Lady hat sich für ein helleres, leicht ins Petrol gehendes Blau entschieden. Auch wenn ihre Haare wahrscheinlich von Natur aus nie so hell waren, wie sie jetzt gebleicht sind, ist sie dennoch ein mittlerer bis heller Typ und liegt deshalb mit dem diesem Blauton genau richtig. Unter meinen Farbtüchern habe ich auch eins in genau diesem Ton. Ich nenne es „Mittelmeerblau“, und es ist eins von den Tüchern, die bei sehr vielen Menschen gut aussehen! Stilistisch weist Jill Bidens Outfit mehrere feminine, verspielte Elemente auf: Der Mantelkragen ist aus Samt, die Passe des Kleides ist transparent (!) und den Abschluss am Hals ziert eine Perlenstickerei. Dieser Hauch von Romantik geht konform mit ihrer neuen Rolle, sie hat selbst kein Amt inne und wird ihr eigenes Leben als Englisch-Dozentin weiterleben. Da kann auch ihr Stil persönlich bleiben.
Auf jeden Fall bin ich geneigt, die starken Bilder von diesen gelungene Outfits in der Farbe der Erlösung ein gutes Omen für den bevorstehenden politischen und gesellschaftlichen Wandel in den USA.