Müssen Sie wissen, wie man auf anständige Weise einen Hummer isst? Nein! Müssen Sie drauf haben, wie man einen Baron mit Doktortitel korrekt anspricht? Nicht zwingend. Haben Sie eine Aufgabe, wenn Sie mit einem Kollegen an einem Messestand stehen und ein Kunde Ihres Unternehmens, mit dem Sie eng zusammenarbeiten, dazukommt? Ja, auf jeden Fall!
Diese drei Beispiele illustrieren sehr gut den Wandel, den traditionell „gute Manieren“ zu zeitgemäßen Umgangsformen gerade durchmachen. Sie zeigen, was geht, was bleibt und was kommt.
Innere Größe
Zum Hummer: Das Essen von Hummer gilt inzwischen grundsätzlich als unanständig. Die Wahrscheinlichkeit, heutzutage einen angeboten zu bekommen, tendiert stark gegen Null. Es hat sich herumgesprochen, dass die Zubereitung Tierquälerei ist. Falls doch, berufen Sie sich einfach auf Ihre Mitgliedschaft im Tierschutzbund oder Ihre Selbstverpflichtung zu einer veganen Ernährung. Beide Ablehnungsgründe haben eine so hohe gesellschaftliche Akzeptanz, dass Sie damit garantiert um die technische Auseinandersetzung mit dem Schalentier herumkommen und dabei noch als moralische Siegerin oder moralischer Sieger glänzen können. Der Baron mit dem Doktortitel sollte auch die innere Größe besitzen, weder bei „Herr Doktor Baron von Musterhausen“ (enthält 2 Fehler) noch bei „Herr Doktor Musterhausen“ (auch falsch) mit der Wimper zu zucken. Arbeitet der Baron in einem Start-up, kann sogar „Hey, Gisbert“ unter Umständen eine passende Anrede sein.
Universelle Grundbedürfnisse
Am Messestand mit Kunden und Kollegen hingegen gilt es, eine wirklich wichtige Aufgabe zu erfüllen: Wenn Sie mit zwei Menschen zusammenstehen, die Sie beide kennen, die sich aber untereinander nicht kennen, sollten Sie so nett sein, diese Menschen miteinander bekannt zu machen! Was passiert, wenn Sie es nicht tun? Der Kunde fühlt sich ausgeschlossen, und auch bei dem Kollegen wird sich Betretenheit breitmachen, weil er nicht einordnen kann, welche Art von Kontakt das ist, und was hier gerade abläuft. Der Kunde wird sich schnell wieder verabschieden – wahrscheinlich mit dem Eindruck, dass er in Ihrem Unternehmen nicht wirklich willkommen ist. Die Folgen für die Geschäftsbeziehung können Sie sich jetzt selbst ausmalen …
Dabei erfüllen Sie ein universelles menschliches Grundbedürfnis, nämlich das nach Integration und Beziehung. Und dieses Grundbedürfnis wird sich niemals ändern. Und je besser es Ihnen gelingt, es in Ihrem Umfeld zu erfüllen, desto leichter und erfolgreicher kommen Sie durchs (Berufs-)Leben.
Done is better than perfect!
Wenn Sie nun Kunden und Kollege miteinander bekannt machen, müssen Sie dann die richtige hierarchische Reihenfolge hinkriegen? Nicht unbedingt. Falls der Kunde ein konservativer Mensch ist, ist es natürlich schön, wenn Sie dran denken, ihm zuerst den Kollegen vorzustellen und dann umgekehrt ihn dem Kollegen. „Done is better than perfect“ ist wie in vielen Lebensbereichen jedoch auch hier die Devise. Hauptsache, der Kunde wird am Messestand integriert und Beziehungen können aufgenommen bzw. gepflegt werden.
Diese drei Beispiele zeigen: Es geht nicht um die perfekte Erfüllung von Regeln und Vorschriften, die sich frühere Generationen mal ausgedacht haben, sondern darum, dass sich alle miteinander wohlfühlen und gute Beziehungen entstehen. Das hat auch schon im 18. Jahrhundert der Freiherr von Knigge gewollt. Und auch er hat damals schon erkannt, dass es uns selbst für unser privates und berufliches Fortkommen nützt, wenn wir für eine Atmosphäre des angenehmen Miteinanders sorgen. Wie Sie dieses Ziel erreichen, ist egal. Sie können dabei sogar Ihren ganz eigenen Stil entwickeln!
Foto: Pixabay/Gerd Altmann
Liebe Astrid,
ich war heute zum ersten Mal auf deinem Blog. Deine Schreibe gefällt mir sehr!
Bitte klär mich doch mal auf, wie man den Herrn Doktor Baron denn nun korrekt anspricht?? Das ist nicht so ganz der Umgang, den ich pflege. Wenngleich… im Nachbarort gibt es einen veritablen Prinzen. Vielleicht laufe ich dem ja mal beim Spazierengehen über den Weg. Und dann??
Viele Grüße
Elinor
Liebe Elinor,
die richtige Anrede lautet: “Dr. Baron Musterhausen”. Ohne “Herr” und ohne “von”. Prinzen können unter Umständen sogar “Königliche Hoheiten” sein, das musst du im Einzelfall klären. Viel Spaß beim Adels-Networking!