Kürzlich hatte ich bei einem Treffen von Unternehmern das Vergnügen, einem besonderen jungem Mann zuzuhören. Es handelte sich um den Gründer eines IT-Unternehmens. Er war so lässig gekleidet und gab sich insgesamt so, wie es dem Klischee dieser Branche entspricht. Aber dann ist etwas passiert, dass meine Wahrnehmungs- und Interpretationsroutine durcheinandergerüttelt hat: Der junge Unternehmer hat ein ganz überraschendes Wort benutzt „Gleichwohl“.
Nicht, dass mir das Wort nicht vertraut wäre. „Gleichwohl“ bringt Erinnerungen an die Oberfläche. Und zwar Erinnerungen an ältere Dozenten an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln, die diesen Ausdruck in den 1980er Jahren in Vorlesungen und Seminaren gern benutzten. (Für nicht-Germanisten: „Gleichwohl“ bedeutet soviel wie dennoch, jedoch, trotzdem). Seitdem habe ich dieses Wort nirgendwo mehr gehört! Bis jetzt, aus dem Mund eines Menschen, von dem ich es nicht erwartet hätte. Der junge Unternehmer ist definitiv zu jung, um ein Kommilitone von mir gewesen sein zu können.
Aber was hat der sicher für alle Zuhörer überraschende Einsatz des Wortes „gleichwohl“ bewirkt? Eine enorme Steigerung der Aufmerksamkeit für die Person des Sprechers und – den Inhalt des Gesagten! Dieses Prinzip – Verwendung eines besonderen und im Kontext unerwarteten Wortes – können auch Sie sich zu Nutze machen: Ein einziges, gut gewähltes und gut eingesetztes Wachmacher-Wort kann die Wirkung Ihrer Rede enorm steigern!
Wie geht das?
- Das Wort muss für die Ohren Ihrer Zuhörer ungewohnt und überraschend sein.
- Das Wort sollte aber auch individuell gut zu Ihnen und Ihren Inhalten passen.
- Vermeiden Sie Fremdwörter und Anglizismen. Die wirken unpersönlich und erinnern an eine schlechte Art von Manager-Sprech. Sie wirken eher einschläfernd als aufweckend. Besser sind Wörter in der Landessprache, die Sie vielleicht individuell zusammensetzen.
Beispiele und Anregungen
Eine echte Antiquität: „Sintemal“ ist noch viel krasser als „gleichwohl“. Es stammt aus dem Mittelhochdeutschen und findet sich noch häufig in Literatur aus dem 17. und 18. Jahrhundert, zum Beispiel in dem Schelmenroman „Simlicius Simplicissimus“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Und – ach ja – „sintemal“ bedeutet so viel wie „weil“, „zumal“, „insbesondere“.
Konkret und nah dran: Sagen Sie doch „Erwärmungskatastrophe“ statt „Klimawandel“. Das ist weder abstrakt noch neutral, sondern sagt klar, worum es geht. Macht irgendwie mehr Angst.
Erfrischend schlicht: Haben Sie es manchmal mit Projekten oder Verfahren zu tun, die „rechtssicher“ sein müssen? Ersetzen Sie dann das Floskel-Wort doch einfach durch „in Deutschland so erlaubt“.
Eigene Wortschöpfungen kreieren: Wie wäre es mit „zeitverlässig“ statt Termintreue, „Mitwirk-Möglichkeit“ statt Teilhabe oder „morgengut“ für zukunftssicher? Da werden auch weniger geneigte Zuhörer aufhorchen.
Spaß und gute Stimmung: Wenn Sie in einem konservativen Geschäftsumfeld statt des so vorsichtigen wie abgenudelten Adverbs „zielführend“ mal voller Freude rufen „Diese Maßnahmen sind voll der Bringer!“ – dann glaubt man Ihnen das viel eher!
Bei der Suche nach Ihrem Erfolgswort (oder Ihrer kurz-prägnanten Erfolgsphrase) sind Ihnen keine kreativen Grenzen gesetzt. Und wenn Sie es gefunden haben, machen Sie es zu Ihrem Markenzeichen!
Mehr Tipps für einen individuellen Redestil finden Sie auch in diesem Beitrag.